Zur Kommunistischen Studentenfraktion am Bauhaus

Einführung

Wolfgang Thöner

Am 1. Mai 1930 kam es in Dessau zu einer skandalträchtigen Begebenheit. Unter dem Motto „schlicht und freudig“ veröffentlichten Studierende des Bauhauses, die sich um 1928 als Kommunistische Studentenfraktion (Kostufra) organisiert hatten, ein als Zeitschrift deklariertes Blatt, gerichtet an „meisterrat und leitung“, in dem sie gegen eine Maßnahme des Bauhausdirektors auf das Heftigste protestierten: Nachdem beim Bauhausfest am 1. März 1930 inmitten der geladenen Honoratioren Studierende unter anderem die „Internationale“ angestimmt hatten und es daraufhin zu Protesten kam, hatte Hannes Meyer sich auf Druck der Schulbehörde des Freistaates Anhalt gezwungen gesehen, disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen. Er exmatrikulierte einen der beteiligten Studierenden und erklärte die kommunistische Zelle am Bauhaus, wie sie auch genannt wurde, für aufgelöst. Es sollte ihm nichts nützen. Hannes Meyer wusste nicht, dass man eigentlich nur noch einen Vorwand suchte, ihn aus seinem Amt zu entfernen, denn die von ihm begonnenen Reformen der Lehrinhalte des Bauhauses missfielen schon lange sowohl den Bauhausmeistern Wassily Kandinsky und Josef Albers, als auch dem Landeskonservator Ludwig Grote und dem Oberbürgermeister Fritz Hesse.1 Die „verbotenen Kommunisten am bauhaus“,2 wie sich die Verfasser der Zeitschrift vom 1. Mai selbst nannten, ahnten sicher nicht, dass sie mit diesem publizistischen Protest wiederum Argumente lieferten, die den zur Entlassung Hannes Meyers Entschlossenen in die Hände spielten, wie es in einem Brief Hesses an Reichskunstwart Edwin Redslob vom 11. August 1930 zum Ausdruck kommt, der auch ausdrücklich die Zeitschrift der Kostufra erwähnt:

„Es bildete sich innerhalb des Bauhauses eine kommunistische Zelle, die nach ihrem Verbot als ‚Marxistische Arbeitsgemeinschaft‘ weiter bestand. Soweit Hannes Meyer der Politisierung des Bauhauses Einhalt zu tun versuchte, wurden seine Bestrebungen von den Studierenden nicht ernst genommen, zumal er sich bei diesen Anordnungen immer nur auf Verfügungen des Magistrats berief, die Anordnungen also nicht aus eigener Initiative traf. Offenbar glaubten die Studierenden, daß die philosophisch/marxistische Einstellung Hannes Meyer’s ihn innerlich hindern müsse, solchen Verboten Wirksamkeit zu verschaffen. Der beste Beweis, daß das Bauhaus unter Hannes Meyer immer mehr zum Instrument der Parteipolitik zu werden drohte, ist die Tatsache, daß sich die Zahl derjenigen Angehörigen des Bauhauses, die sich öffentlich zur K.P.D. bekannten, von etwa 7 auf 36 anwuchs […].

Die kommunistische Zelle begnügte sich nicht allein mit parteipolitischen Demonstrationen innerhalb und außerhalb des Hauses, sondern griff auch in den Unterrichtsbetrieb ein. Ihr Vorgehen richtete sich gegen alle diejenigen Meister, die sich nicht der Parteipolitik dienstbar machen wollten. […] Der Magistrat mußte also im Falle des Festhaltens an der bisherigen Leitung mit dem Verlust wertvollster Mitglieder des Meisterrats rechnen.

Wie weit der Kommunismus in seiner parteipolitischen Zuspitzung von dem Bauhaus Besitz ergriffen hatte und wie ver-derblich seine Einflüsse für den Unterrichtsbetrieb sich auswirkten, ergibt sich ausdrücklich aus zwei Nummern einer Zeitschrift ‚Das Bauhaus‘, die sich ausdrücklich als ‚Organ der kommunistischen Studierenden am Bauhaus, Monatsschrift für alle Bauhausfragen‘ bezeichnet.“3

Das Bauhaus war von Beginn an auch von politisch links orientierten Kräften geprägt, sie waren vor allem in den Reihen der Studierenden zu finden, seltener in denen der Lehrenden. Darunter waren zunächst nur wenige, die der 1918 gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) angehörten. Als sich die KPD bemühte, auch an den Hochschulen an Einfluss zu gewinnen, und es 1922 zur reichsweiten Gründung der Kommunistischen Studentenfraktion (Kostufra) kam, gehörten Vertreter des Bauhauses zunächst nicht dazu. Ein Hochschulstudium war auch in der Weimarer Republik nur einer Minderheit möglich, meistens kamen die Studierenden aus Beamten-, Unternehmer- und Akademikerhaushalten, fast immer mit entsprechenden monarchistischen, konservativen und später auch nationalsozialistischen Einstellungen. Nur ein sehr geringer Anteil von zwei Prozent kam aus Arbeiterfamilien. „Die mitgliederstärksten studentischen Organisationen waren die Burschenschaften und Verbindungen. 1929 existierten 1300 Korporationen, in denen 71000 Studenten organisiert waren.“4 Alle anderen Studierenden, von liberal über sozialistisch bis kommunistisch gesinnt, waren kaum vertreten und mussten zum Beispiel beim Verteilen von Flugblättern mit „gewalttätigen Übergriffen von rechts rechnen“.5 Anfangs organisierten sich deshalb sozialdemokratische und kommunistische Studierende in gemeinsamen Hochschulgruppen. Marcel Bois hat den Prozess der Gründung eigenständiger kommunistischer Studierendenorganisationen im Deutschen Reich des Jahres 1922 skizziert, die dann Kommunistische Studentenfraktion (Kostufra) genannt wurden. Zunächst existierten 19 kommunistische Hochschulgruppen, vor allem in Leipzig, Heidelberg, Hamburg, Bonn und Wien, die der in Berlin ansässigen Reichsleitung unterstanden, die ihrerseits wieder „der Agitprop-Abteilung im Zentralkomitee der KPD unterstellt“6 war. Sie gab neben Rundschreiben auch Zeitschriften heraus. Marcel Bois fand heraus, dass unter den eigenen Publikationen lokaler Kostufras die Zeitschrift bauhaus aus Dessau die größte Strahlkraft besaß. In einem „Bericht der Reichsfraktionsleitung der Kostufra an das ZK“ vom 15. August 1931 wird die Gesamtzahl aller Kostufra-Mitglieder in Deutschland mit „mindestens 3702“ angegeben, die der „sympathisierenden Studenten“ mit 500.7 Die Dessauer Kostufra (also die am Bauhaus) wird in dem Papier zwei Mal erwähnt. Sie hatte sich erst um 1928 an der „Hochschule für Gestaltung“, wie das Bauhaus in Dessau seit Oktober 1926 zusätzlich hieß, gegründet. Sie war von Beginn an eng mit der Dessauer KPD verbunden und wurde wie eine KPD-Zelle vom Stadtverordneten Paul Kmiec ideologisch und organisatorisch geleitet. Ideologie und damit verbundene Sprache und Begrifflichkeiten der KPD fanden so direkten Eingang in die Zeitschrift. Die KPD hatte sich seit 1925 gewandelt, im Juni 1926 gab sie sich ein neues Statut, das ihren Umbau zu einer an die Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) angelehnten Parteistruktur mit strenger Parteidisziplin beinhaltete. Ganz in diesem Sinne und auf Druck der kommunistischen Internationale (Komintern) setzten sich nach internen Richtungskämpfen die um Ernst Thälmann organisierten Mitglieder der KPD-Führung durch. Schon auf ihrem V. Weltkongress hatte die Komintern beschlossen, den Kampf auch ganz entschieden gegen die Sozialdemokratie zu führen: „Der Faschismus und die Sozialdemokratie sind die beiden Seiten ein und desselben Werkzeugs der großkapitalistischen Diktatur.“8 Der Begriff Sozialfaschismus war 1924 vom sowjetischen Politiker Grigori Sinowjew kreiert worden. Nach der Sinowjew zugrunde liegenden Theorie ist der Sozialfaschismus als der linke Flügel des Faschismus vorrangig zu bekämpfen. So wurde letztendlich eine frühe breite Gegenbewegung zum Nationalsozialismus verhindert. Erst 1935 verwarf die Komintern die Sozialfaschismusthese und startete den Versuch der Bildung einer Einheitsfront aller antifaschistischen Kräfte. Doch zunächst galt die SPD von 1926 an der KPD nicht nur wie jede andere bürgerliche Partei als Vertreterin einer „Scheindemokratie“, sie wurde nun als „sozialfaschistisch“ bezeichnet. Als dann die mit dem Börsencrash in New York vom Oktober 1929 ausgelöste Wirtschaftskrise nicht nur das Proletariat betraf, sondern auch zu einer Verarmung der Mittelschichten führte, sah sich die KPD in dieser Haltung bestärkt. Aus ihrer Sicht wären die Regierung und alle anderen Parteien (die im Sinne der „Kapitalistenklasse“ agieren würden) angesichts der auftretenden Spannungen gezwungen, zur offenen faschistischen Diktatur überzugehen. Jede von den Zielstellungen der KPD als einziger „revolutionärer Partei“ abweichende Politik wurde als „Faschisierung“ bezeichnet. Als Lösung der Krise galt der KPD einzig die unter ihrer Führung herbeizuführende „proletarische Revolution“.9

Die agitatorischen Auswirkungen dieser Entwicklung sind in fast allen Ausgaben der Zeitschrift der Bauhaus-Kostufra nachzulesen. Eine zentrale Rolle in den ersten Nummern spielte der Direktor Hannes Meyer. Die erste Ausgabe richtete sich direkt gegen ihn und die von ihm getroffenen disziplinarischen Maßnahmen und lieferte damit letztendlich weitere Argumente für Meyers Gegner, die zu seiner Entlassung am 1. August 1930 führten. Nach Meyers Entlassung wandelte sich dann die Einschätzung der Kostufra: der aus dem Amt gedrängte Direktor galt ihr ab Nummer 3 ihrer Zeitschrift, erschienen im August 1930, nun als der bislang fortschrittlichste Direktor und Architekt am Bauhaus. Hannes Meyer gehörte keiner Partei an, bezeichnete sich selbst aber ab 1930 als Marxist. In einem Brief an Walter Gropius vom Februar 1927, kurz bevor er Leiter der neu gegründeten Bauabteilung am Bauhaus wurde, schrieb er: „die grundtendenz meines unterrichts wird absolut eine funktionalistisch-kollektivistisch-konstruktive sein“.10 Hannes Meyer bekannte sich darüber hinaus zu genossenschaftlichen Eigentums-, Handels- und Organisationsstrukturen im Sinne der Schweizer Handelsgenossenschaft co-op. Noch 1927, in seinem ersten Jahr am Bauhaus, galt Hannes Meyer durchaus als neutral und gemäßigt. Selbst der rechtskonservative Anhalter Anzeiger begnügte sich am 7. Februar 1928 – nach dem angekündigten Rücktritt von Walter Gropius und zu einem Zeitpunkt, an dem Hannes Meyer schon über ein halbes Jahr Leiter der Architekturabteilung am Bauhaus Dessau war – mit der Wiedergabe der Einschätzung des der liberalen DDP angehörenden Oberbürgermeisters Fritz Hesse zu Hannes Meyer: „Sein Name sei in der Bauwelt gut bekannt. Wenn man den Bürgermeister richtig verstanden hat, dann ist Hannes Meyer nicht ein Verfechter der extremen Richtung im Bauwesen. Er sei, wie der Bürgermeister glaubt, ganz besonders geeignet, den Studierenden ‚das täglich Brot der Arbeit‘ beizubringen.“11 Diese Einschätzung änderte sich nach dem Antritt von Hannes Meyer als Bauhausdirektor im April 1928. Der rechtskonservative Central-Anzeiger sah schon am 4. Januar 1929 „das wahre Gesicht des Bauhauses“ als „Wegbereiter des Bolschewismus“: „Der Zweck ist offensichtlich, uns die geistigen Güter zu rauben, durch die die abendländische Kultur dem Asiatentum überlegen ist […] Zur Zeit ist es das Wohnungswesen, dem man beizukommen trachtet. Jetzt werden es viele verstehen, warum einfachste volkswirtschaftliche Fragen, die sich aus der Wohnungsnot ergeben, zu künstlerischen und ästhetischen umgeschwärzt werden.“12 Obwohl Hannes Meyer nun als links galt, geriet er wie geschildert 1930 in die Kritik der Kommunisten. Noch im August 1930, nach seiner Entfernung aus dem Amt, hob er zu seiner Verteidigung in einem Brief an Edwin Redslob hervor: „trotzdem ich persönlich ein anhänger des koalitionsrechtes der studierenden unserer ‚hochschule für gestaltung‘ bin, löste ich als bauhausleiter im märz d. j. die unter den studierenden vorhandene kommunistische zelle auf, dem magistrat habe ich kenntnis von dieser massnahme gegeben und er hat diese mitteilung an die regierung seinerzeit weitergegeben.“13 Die Aktivitäten der kommunistischen Zelle (wie auch Hannes Meyer hier die Kostufra nennt), insbesondere die Herausgabe der ersten beiden Nummern ihrer Zeitschrift, hatten zur Absetzung des Bauhausdirektors beigetragen, wie der Dessauer SPD-Politiker Ludwig Sinsel im August 1930 resümierte. Sinsel weist auf den Umstand hin, „daß die Amtsenthebung mit Zustimmung der sozialdemokratischen Vertreter im Dessauer Stadtparlament erfolgte. Das ist ganz zweifellos ein ungewöhnlicher Vorgang, der Aufsehen um so mehr erregen dürfte, als es sich bei Hannes Meyer um eine Persönlichkeit handelt, die der Sozialdemokratie geistes- und gesinnungsverwandt ist. Es müssen also wohl schon sehr gewichtige Gründe vorgelegen haben, die die Vertreter unserer Partei im Dessauer Stadtparlament bestimmten, der Amtsenthebung von Hannes Meyer zuzustimmen.“14 Nachdem Sinsel noch einmal hervorhebt, dass es ohne die SPD kein Bauhaus in Dessau geben würde, weist er dezidiert auf das Wirken der Kostufra hin, die dazu Anlass gegeben habe, dass „die kulturpolitische Reaktion wie auch das kulturpolitische Spießertum in Dessau“ das Bauhaus immer mehr als „Kathedrale des Bolschewismus“ wahrnahmen. Dies habe dazu geführt, „daß selbst Kreise von Parteigenossen, die in diesen Dingen etwas primitiver denken, am Bauhaus und der bauhausfreundlich gesinnten Parteiführung anfingen irre zu werden. Erleichtert wurde den Widersachern des Bauhauses die Wühlarbeit durch kommunistische Schüler, die nichts weniger und nichts mehr als eine Politisierung des Bauhauses in der unverantwortlichsten Weise anstrebten.“15 Eine große Rolle, so Sinsel, spielte dabei ihre Zeitschrift, die bewies, „daß man es am Bauhaus mit mehr als nur dem staatsbürgerlichen Recht zur freien Aeußerung einer politischen Meinung zu tun hatte.“16 Sinsel wirft Meyer letztlich ein „Kurieren an Symptomen“ vor, und dass er „die politischen Exerzitien der kommunistischen Bauhausstudierenden tolerierte“. Er kommt zu dem Schluss, dass „Hannes Meyer weniger ein Märtyrer seiner politischen Gesinnung“ geworden sei, „als vielmehr ein Opfer derjenigen seiner Schüler, die im Vertrauen auf Hannes Meyer das Bauhaus im Sinne kommunistischer Weltanschauung politisieren wollten. Das durfte die Sozialdemokratie um so weniger dulden, als das Bauhaus seit seinem Bestehen in Dessau um die hierfür mitverantwortliche Sozialdemokratie dazu Gegenstand unschöner öffentlicher Kritik und reaktionärer Angriffe sind, sehr zum Schaden von Bauhausidee und -aufgabe.“17 Zuletzt weist Sinsel auf das Wirken nationalsozialistischer Studenten an deutschen Universitäten hin: „Was geschieht an den deutschen Universitäten, an denen nationalsozialistische Studierende in einem ganz anderen und viel gefährlicheren Sinne Zellenarbeit leisten als die Kommunisten am Bauhaus. Darüber haben wir noch nichts gelesen.“18

Die zwischen Mai 1930 und Herbst 1932 erschienenen insgesamt (nach bisheriger Kenntnis) wahrscheinlich 16 Ausgaben des „Organs der kommunistischen Studierenden am Bauhaus“, deren erste Nummer bislang leider als verschollen gelten muss und deren letzte Nummer unvollständig erhalten ist, sind nur bedingt als Zeitschrift einzuschätzen. Patrick Rössler bemerkt, dass es „schon einigen guten Willens“ bedarf, „jene kargen ,Spiritkarbonabzüge‘ aus einem Matrizendrucker“ als Zeitschrift zu bezeichnen. Eine Zeitschrift, so Rössler, zeichne sich durch „Periodizität, Aktualität, Publizität und eine diskursive Universalität“ aus: „Für mindestens drei der vier Punkte sind beim Organ der Kostufra am Bauhaus Abstriche zu machen: die monatliche Erscheinungsweise konnte nur phasenweise aufrecht erhalten werden, trotz einzelner Ausnahmen blieb die Verbreitung auf das lokale Umfeld beschränkt, und der geführte Diskurs konzentriert sich stark auf die Weltdeutung aus kommunistischer Perspektive. Tatsächlich weist das Kostufra-bauhaus, das 1930 während der Unterbrechung der ‚offiziellen‘ Bauhaus-Zeitschrift erstmals erschien, eher einige Merkmale eines Zirkulars (im Sinne eines Rundbriefes oder Umlaufschreibens) auf: etwa seine Vervielfältigung in geringer Auflage, seine Gestalt als Bündel hektographierter Blätter oder seine primäre Verbreitung innerhalb einer klar umrissenen Gefolgschaft (der Kostufra am Bauhaus).“19 Trotzdem hat sich die Bezeichnung Zeitschrift durchgesetzt. Als Zeitschrift, deren erste Funktion es war, für „gesellschaftliche Streitfragen Öffentlichkeit herzustellen“, wäre das „Organ der kommunistischen Studierenden am Bauhaus“ dann „einer Mischung aus Bekenntnis- und Initiativpresse zuzuordnen, deren Aufgabenzuweisung jeweils darin besteht, Überzeugungen zu verankern bzw. individuelle Anliegen zu fördern, was auf die Verbreitung einer Weltanschauung und die Vernetzung von Interessen abzielt“.20

In der Regel wirft die Kostufra in jeder Ausgabe ihrer Zeitschrift zu Beginn einen Blick auf die außen- und innenpolitische Lage, gefolgt von kritischen Kommentaren zu internen Entscheidungen der Leitung des Bauhauses (zum Beispiel zu Richtlinien in den Werkstätten oder zu neuen Satzungen). In Heft 4 vom November 1930 werden Themenschwerpunkte formuliert, denen sich jedes Heft widmen sollte: von ideologischer Agitation und Stellungnahmen zu politischen Ereignissen über Kritik bauhausinterner Ereignisse und dem Aufbau eines Netzwerks zu externen Studierenden und Wissenschaftlern bis zur (natürlich redaktionell gefilterten) Öffnung für Stellungnahmen aller Studierender.

Die Zeitschrift der Kostufra erschien in einer Zeit sich zuspitzender Krisen, die erste Nummer kurz nach Ausbruch der Weltwirtschaftskrise, deren Folgen – allen voran eine wachsende Arbeitslosigkeit – sich erst in den kommenden Jahren zeigten. Die NSDAP erstarkte, und die sozialdemokratisch und kommunistisch geprägten Gemeinschaften wurden brüchig. Die in immer kürzeren Abständen aufeinanderfolgenden Reichsregierungen gingen zunehmend dazu über, mit Notverordnungen zu regieren. Die letzten Ausgaben der Zeitschrift erschienen in einer Zeit, als Anhalt von einem nationalsozialistischen Ministerpräsidenten regiert wurde und das Bauhaus die Stadt Dessau verlassen musste.
Die Zeitschrift der Kostufra bezieht so unter anderem Stellung zu den diversen Notverordnungen, mit denen die Regierungen der Weimarer Republik die politischen, ökonomischen und sozialen Krisen zu meistern versuchte, Stellung zur Politik der SPD, zum Erstarken reaktionärer Bewegungen wie der Harzburger Front, zur Bankenkrise in Europa, zu kriegerischen Konflikten in Asien, zum Strafgesetzparagraphen 218, zu allen regionalen wie deutschlandweiten Wahlen wie der des Reichspräsidenten.
Bei den direkt das Bauhaus betreffenden Themen sind es nach der Entlassung Hannes Meyers die Kritik am neuen Direktor Ludwig Mies van der Rohe, eine im Sinne der Kulturpolitik der KPD differenzierende Kritik der bisherigen und aktuellen modernen Architektur, insbesondere der großen Debatten auf den Kongressen der internationalen Architektenvereinigung CIAM, und der diesbezüglichen Ausstellungen. Die Kostufra stellte dem ihren Bericht über die Entwicklung von Architektur und Städtebau in der Sowjetunion entgegen. Sie polemisierte gegen Ausstellungen abstrakter und „bürgerlicher“ Kunst, ganz gleich, ob sie von Studierenden des Bauhauses wie Hermann Röseler und T. Lux Feininger oder von eingeladenen Gästen wie dem französischen Künstler Amédée Ozenfant stammte. Sie forderte eine im Sinne der KPD agitierende „Kunst als Waffe“, sie forderte die Kommilitonen zum Studium marxistischer und kommunistischer Literatur auf und veröffentlichte Auszüge aus derartigen Schriften. Die Kostufra übte Kritik an Gastdozenten, machte Gegenvorschläge und stellte Forderungen an die Leitung des Bauhauses zur Besserung der sozialen Lage der Studierenden, die von der Einrichtung einer Krankenkasse über Freitische bis hin zu besseren Mitbestimmungsrechten, zu Koalitionsfreiheit und Stipendien reichten. In der Nummer 12 vom April 1932 findet sich ein Satz, der wohl am besten die in letztlich allen Ausgaben erhobenen Forderungen zusammenfasst: „ein anderer meisterrat, eine andere gesellschaft, ein anderes system“.21



[1] Vgl. Bernhard 2021, S. 78f. 
[2] AA Nr. 107 (1930), S. 1.
[3] Brief des Oberbürgermeisters Fritz Hesse an Edwin Redslob vom 11.8.1930, zit. nach BArch R 32/399. 
[4] Bois 2022, S. 20.
[5] Michael Grüttner: Studenten im Dritten Reich, Paderborn 1995, S. 31, zit. nach Bois 2022, Anm. 4.
[6] Ebd.
[7] SAPMO-BArch RY 1/3306, Bl. 66.
[8] Hürten 1995, S. 98.
[9] Stoenescu 2013, S. 75.
[10] Hannes Meyer an Walter Gropius vom 16. Februar 1927, zit. nach: Hannes Meyer 1980, S. 44.
[11] AA Nr. 32 (1928), S. 6.
[12] CA Nr. 3 (1929), S. 8.
[13] Hannes Meyer an den Reichskunstwart Edwin Redslob vom 11. August 1930, zit. nach: Hannes Meyer 1989, S. 147.
[14] Klassenkampf Nr. 23 (1930), S. 728.
[15] Ebd., S. 729.
[16] Ebd.
[17] Ebd., S. 730.
[18] Ebd.
[19] Rössler 2022, S. 35f.
[20] Ebd.
[21] bauhaus 12, S. 12.